"MANCHMAL SCHAU ICH IN DEN SPIEGEL, UND BIN VERWUNDERT, DASS ICH EINEN WEISSEN SEHE!" 

                               Frantisek Dobrovolny und die Bootleg Blues Band

                  Georg Siegl/Billy Wotawa

 

Im Jahre 1911 baute der, aus Mährisch-Trübau nach Wien zugewanderte Schuhmachergeselle Frantisek Dobrovolny, der puren Not gehorchend in seine Heurigenklampfe einen blechernen Schalltrichter ein, um seinem musikalischen Vortrag in diversen Wein- und Bierlokalen der k.k Metropole besseres Gehör zu verschaffen. In den Wirren des Ersten Weltkrieges verschlug es den umtriebigen Volksmusikanten in den Süden der Vereinigten Staaten, wo er als Frank Dobro, gemeinsam mit seiner `Bootleg Blues Band´, in den Zwanziger- und Dreißigerjahren zum großen Innovator eines urban-ländlichen Bluescrossovers, und gleichzeitig zum `White Godfather of Black Music´ anvancierte. Wie viele genialen Geister, die ihre Kunst den Freuden und auch Nöten der kleinen Leute widmeten, fiel auch er, nicht zuletzt unter reger Beteiligung der aufkeimenden Musikindustrie, der völligen Vergessenheit anheim.

Nun, über dreißig Jahre, nachdem sich die Spur des mährischen Schuhmachergesellen Frantisek Dobrovolny tief in den Sümpfen Louisianas für immer verloren hatte, fand sich in Wien, Dobrovolnys ursprünglicher Wirkungsstätte, nicht zuletzt in Gedenken an seine Verdienste die ORIGINAL STIEFELBEIN BLUHS BÄND zusammen. Sie besteht aus Georg Siegl - Gitarren, Gesang und Billy Wotawa - Akkordeon, Mundharmonika, Banjo und Gesang.In Ihrem Repertoire finden sich daher selbstverständlich auch die Klassiker aus Dobrovolnys Wiener Phase wie: `Waun i no amoi auf´d Wöd kumm´, oder `Unsa Heargod muaß a Weana sein´, `des oede Haus im Liebhartstoe´. Nicht zu vergessen, Dobrovolnys unvergeßliche Hymne an seine erste Wahlheimat Ottakring, das bewegende `Liebhartstaler Tryptichon´! Die Original Stiefelbein Bluhs Bänd ablosvierte im Herbst 1996 erfolgreich die "Dobrovolny Memorial Tour 96" und befindet sich derzeit auf ihrer "Gstieß & Mond Tour 97", die im Herbst 1997 mit der Herausgabe der CD "Gstieß und Mond" einen ihrer Höhepunkte finden wird. Bereits veröffentlicht wurde die einzige, autorisierte Biographie Frantisek Dobrovolnys: "Manchmal schau ich in den Spiegel, und bin verwundert, daß ich einen Weißen sehe!" STIEFELBEIN - die etwas andere Blues Band!


                                                                                                 

Frantisek Dobrovolny:

 

Geb. 1890 in Mährisch Trübau

1908 in Wien

1909 bis 1916 Heurigenmusiker in Wien

März 1916 zum Kriegsdienst eingezogen

Dezember 1916 Desertation in Italien

Februar 1917 via Genua auf dem ital. Frachter Stella Regina in die USA

1917 bis 1926 fahrender Musiker u.a. bei diversen Medicine Shows.

1927 Bootleg Blues Band gemeinsam mit Larry "Crawfish" Webster.

1938/39 in New Orleans und Umgebung ansässig. Ende der Bluesphase, Hinwendung zum Zydeco.

1959 Vater von Zwillingen

1964 verschollen in den Sümpfen Louisiana


AM ANFANG STAND WIEN

Am Abend eines kalten Oktobertages des Jahres 1911, betraten zwei Männer, die Kragen ihrer Jacken hochgestellt, das beliebte Weinlokal, `zu den drei Nasen´. Es lag im ehemals `größten Wirtshaus des heiligen Römischen Reiches´, einem früheren Vorort und nunmehrigen Teil des 16., Wiener Gemeindebezirkes, in Neulerchenfeld, genauer gesagt im Haus Grundsteingasse 6. Die sperrigen Kästen, welche die beiden unter ihren Armen trugen, bargen ihre Instrumente.

Der eine Mann war Karl Wiesfleck, ein damals fünfunddreißigjähriger Hamonikaspieler von großer, hagerer Gestalt. Der andere war ein einundzwanzigjähriger, mährischer Schuhmachergeselle, der seit über zwei Jahren in Wien lebte, und der, nachdem er in seinem erlernten Beruf keine Anstellung finden konnte, seinen kargen Lebensunterhalt als Gitarrenspieler in diversen Wiener Weinlokalen bestritt. Er hieß Frantisek Dobrovolny, nannte sich aber seit seinem Zuzug in die k.u.k. Metropole Franz. Er und Karl Wiesfleck spielten erst ein paar Monate zusammen, waren aber in dieser kurzen Zeit bereits zu einem beliebten Duo in den Vorstadtlokalen zwischen Pötzleinsdorf und Breitensee geworden. Ihr Repertoire umfaßte Gassenhauer, Heurigenlieder und auch einige, beliebte Operettenlieder, die Karl Wiesfleck, der angeblich in jüngeren Jahren zwei Saisonen lang in Aussig als Operettenbuffo engagiert war, mit ambitioniertem Tenor vortrug. Dobrovolny, ein kleiner, drahtiger Jüngling, verfügte, was man ihm aufgrund seiner äußeren Erscheinung nicht unbedingt zutraute, über einen kräftigen Bariton, den er in diesen Tagen jedoch lediglich als Unterstimme zu Wiesflecks Gesang einsetzte, da er damals noch, wie man es in Wien bis heute nennt, stark `böhmakelte´.

Karl Wiesfleck, wird an diesem Abend nicht wenig gestaunt haben, denn als Dobrovolny sein Instrument auspackte, stak in seiner Heurigenklampfe ein riesiger Metalltrichter. Der sich darauf entspinnende Dialog der beiden Musiker ist der Nachwelt leider nicht überliefert, man kann jedoch getrost davon ausgehen, daß Dobrovolny seine Erfindung damit erklärte, daß sein Gitarrespiel regelmäßig unter den kräftigen Akkordeontönen Wiesflecks unterging. Jedenfalls war dies die Geburtsstunde einer Gitarrenform, die in späteren Jahren die Vereinigten Staaten erobern, und im Zuge diverser Bluesrevivals auch ihren Weg zurück nach Europa finden sollte. Davon jedoch hatten weder Wiesfleck, noch Dobrovolny an jenem Oktoberabend des Jahres 1911 die geringste Ahnung. Und sicher hätte der einundzwanzigjährige Dobrovolny jeden auf der Stelle für verrückt erklärt, der ihm an diesem Abend die Stationen seines weiteren Lebens prophezeit hätte.

Musikanten erfüllten in den Jahren um die Jahrhundertwende 1900 weit mehr als die heutzutage praktizierte Rolle als reine Unterhaltungs-Lieferanten. In einer Zeit, in der es kein Fernsehen, kein Kino gab, selbst das Pressewesen lange nicht die Verbreitung von heute hatte, waren es Musikanten und fahrende Spielleute, die in ihren Gstanzeln und Couplets Nachrichten verbreiteten. Auch Heurigenmusiker wie Wiesfleck und Dobrovolny erfüllten eine durchaus sozial-kommunikative Funktion. Berichterstattung von regionalen oder gar lokalen Ereignissen in musikalischer Form waren nicht nur üblich, sondern wurden vom Publikum oft sogar lautstark eingefordert. Balladen und Moritaten über Unglücks-, Mord- und Raubers-Fälle waren besonders beliebt.

Wiesfleck hatte ein durchaus praktisch veranlagtes Gespür welche Ereignisse das Publikum besonders liebte, und keine Scheu, je nach Bedarf Lieder zu wählen die abhängig von der vorherrschender Stimmung die Obrigkeit in Form der Polizei verspotteten, oder lobpriesen, wenn ein besonders ruchloser Raubersbursch gefasst und vor Gericht gestellt worden war. Sein eigenes kreatives Talent im Verfassen von Melodien und Reimen war aber eher bescheiden, und das Nachspielen etablierter Gassenhauer konnte schnell so uninteressant werden wie die Zeitung von letzter Woche.

Es dauerte nicht lange, und Dobrovolny begann eigene Lieder zu verfassen, zunächst von Wiesfleck in Noten gesetzt, später schien Dobrovolny als alleiniger Verfasser auf.

Bereits in seinen frühen Jahren bewies Dobrovolny einen untrüglichen Sinn für soziale und politische Zusammenhänge ebenso, wie einen unbestechlichen Blick für die Psychologie der menschlichen Seele.

Aus dieser Zeit stammen seine feinen, psychologischen Skizzen wie "Unsa Heargott muaß a Weana sein" oder das "Liebhartstaler Tryptichon", welche dem vermeinltlich goldenen Wienerherz auf den schlammigen Grund sehen.

Auch seine Ballade vom "Oedn Haus im Liebhartstal", von der noch an anderer Stelle die Rede sein wird, ist hier einzuordnen.

Die moritatenhafte Ballade vom "Schwoazzn Schal" wiederum zeigt uns Dobrovolny als Menschen, von höchststehender Emotionalität. Es geht hier um einen historischen Kriminalfall aus den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts, als ein junger Mann, aufgrund von Indizien und einigen äußerst zweifelhaften Zeugenaussagen, eines Mordes für schuldig gesprochen wurde. Da er zusätzlich auf jegliche Verteidigung verzichtete, war sein Weg in die Todeszelle unvermeidlich. Bald schon munkelte das Boulevard, daß sich hinter der ganzen Sache nichts anderes verbergen würde, als verbotene Leidenschaft. Dieser Kriminalfall war monatelang Stadtgespräch, damals wechselten die Schlagzeilen noch in weitaus gemächlicheren Rhythmus als heute, und Dobrovolny verdichtete ihn zu erwähnter Ballade, in welcher der Delinquent, sein unausweichliches Schicksal vor Augen, aus der Todeszelle heraus reflektiert.   

Was allerdings höchstens ein paar Dichter und Philosophen ahnten, ein paar Kriegstreiber und Profiteure vielleicht wußten, die Monarchie, und mit ihr jene Welt, die der Schriftsteller Stefan Zweig später als "Die Welt von gestern" beschrieb, saß ebenfalls in der Todeszelle. Österreich, Europa und die restliche Zivilisation taumelte in den ersten großen Weltenbrand. Karl Wiesfleck, Dobrovolnys Partner dieser Jahre, wurde aufgrund einer chronischen Lungenkrankheit nicht einberufen, und entging so diesem ersten, großen Schlachten einer Generation des Zwanzigsten Jahrhunderts.  Dobrovolny jedoch ereilte das Schicksal in Form seines Stellungsbefehles im März 1916.

Daß Dobrovolny sich bereits vor seiner Einziehung in die K & K Armee insgeheim über eine mögliche Desertation und deren unausbleiblichen Folgen Gedanken machte, beweist ein Lied, daß er im Februar 1916 zu Papier brachte, und dessen handgeschriebenes Originalmanuskript im "Styranian Institution for Early Southern Music and Culture", San Antonio/Texas aufliegt (siehe Danksagungen). Tief betroffen von der öffentlichen Hinrichtung des rumänischstämmingen Sappeur Ernst Lakatos wegen "....gemeiner Fahnenflucht und Hochverrat an seiner apostolischen Majestät....." verfaßte Dobrovolny die "Ballade vom Scharfrichter". Auch dieses Werk, analog zum "Schwoazzn Schal" oder dem "Oedn Haus im Liebhartstal", sollte später in einer englischsprachigen Übersetzung zum Bestandteil angloamerikanischer Folkgeschichte werden.

Eine Feldpostkarte des k.u.k. Infantristen Josef Lechwagner, von der Österreich/Italienischen Front nach Hause:

"19. Dezember 1916: Es sind schreckliche Tage. Wir sitzen in unserem Unterstand und warten. Keine zweihundert Meter von mir sitzen die Italiener und warten ebenfalls. Ein Kamerad, ein gewisser Franz Dobrovolny verkürzt uns die Zeit, indem er auf seiner Gitarre Wiener Lieder spielt. Er kennt sie alle. In fünf Tagen ist Heilig Abend. Wie geht es Euch, wie geht es Sophie?"

Am 29. Dezember 1916 schreibt der Selbe:

"Es ist nach wie vor ruhig an der Front. Danke für Euer Paket und die gestrickten Handschuhe von Sophie. Unser Leutnant hatte uns sogar einen Christbaum besorgt. Ein bißchen traurig waren wir aber schon, denn Franz, ihr wißt, unser lustiger Musikant wird seit zwei Tagen vermißt. Ich bete für ihn, und Gott segne Euch daheim. Josef."

Josef Lechwagner fiel in der letzten Isonzoschlacht. Der lustige Franz aber, der sich, zu Schanzarbeiten eingeteilt absetzte, schaffte es durch die Linien ins Hinterland, bis nach Genua, wo am 16. Februar 1917 ein Francesco Doborro, auf einem italienischen Frachtschiff, der Stella Regina, anheuerte und in Richtung der neuen Welt, genauer gesagt nach New Orleans, dem Bestimmungshafen der Stella Regina abdampfte.

Auf der Überfahrt verfaßte Dobrovolny das Stück `Summa in Wean´, in dem er diverse Wiener Typen wie Hausmeister, Trafikantin, Bischof, Professor und Kellner, das panoptikumartige Spalier seines unwiderruflichen Abschiedes von seiner alten Heimat bilden ließ.

DER WEG IN DIE NEUE WELT                                                        

Die alte Welt lag in Trümmern, und für Franz Dobrovolny mag es nicht viel besser ausgesehen haben.

Paul Oliver schreibt in seinem Standardwerk: Die Story des Blues. Reinbek: Rowohlt Taschenbuchverlag. 1978.

"Traditionsgemäß waren die Binnenhäfen brutale und gesetzlose Ballungszentren des Unterhaltungsgewerbes. Flußschiffer und Handlanger, die auf den Kähnen arbeiteten, wollten sich amüsieren und austoben, wenn sie an Land gingen, und die Häfen von Cincinnati, St. Louis, Memphis und New Orleans wimmelten von Spielern, Prostituierten und anderen, die den Bootsleuten das Geld aus der Tasche zogen."

Das New Orleans dieser Tage war zusätzlich ein Schmelztiegel aus ethnischen und kulturellen Gruppen, durchaus vergleichbar mit dem Wien nach 1900, und um sich seine ersten paar Dollar zu verdienen, spielte Franz, der sich inzwischen Frank Dobro nannte, in einem der zahlreichen Bordelle der Stadt. Er spielte Klavier. Obwohl aus seinen früheren Jahren nichts dergleichen bekannt war, war es doch so, daß es sich ein Mann in Dobros Situation einfach nicht leisten konnte, etwas nicht zu können. Hier spielte er auch sein Stück vom "alten Haus im Liebhartstal", ein Lied über eine zwielichtige Kaschemme im Wien der Jahrhundertwende.

Später einmal darauf angesprochen erzählte Dobrovolny in seinem einzigen Interview, das er im Jahre 1964 der Journalistin Lizzy Tootsnake für eine Radio Essay Serie gab:

"Ich hatte in Wien von einem Akkordeonspieler ein paar Griffe gelernt. Ein paar Dur und ein, zwei Moll Akkorde. Nachdem auch dieses Klavier schwarze und weiße Tasten hatte, spielte ich einfach drauf los. Ich spielte einfach immer die gleichen Akkorde und wechselte von Zeit zu Zeit die Reihenfolge. Ich saß also in diesem Puff in New Orleans und spielte um mein Überleben. Plötzlich begannen meine Finger das `alte Haus´ zu spielen. Ein Matrose hatte mir auf der Überfahrt die notwendigsten Worte Englisch beigebracht. Die paar Brocken, die man so braucht. So fing ich an, zu meinem Geklimper zu singen. Das mit dem Haus, war recht einfach, und daß es jetzt in New Orleans stand, und nicht in Ottakring, war auch einleuchtend. Und dann sang ich weiter über den Ort, an dem ich mich gerade befand. So kam das. Ich bin dann ohnehin weg, nach Alabama rauf und hab die ganze Sache einfach vergessen."

Dobro verließ New Orleans ein paar Wochen später. Doch bereits hier, trotz eines Aufenthaltes von nur wenigen Wochen hinterließ Dobrovolny seine Fußspur. Unauslöschlich, wie jene, die Neil Armstrong fünfzig Jahre später auf dem Mond hinterlassen sollte.

Das Lied blieb in New Orleans und fand sechsundvierzig Jahre später seinen Weg nach England, wo es von einem jungen Sänger namens Eric Burdon und seiner Band, den Animals als Traditional aufgenommen wurde und spätestens seit damals weltbekannt ist. Bob Dylan coverte es bereits einige Jahre davor, weniger erfolgreich für sein Debutalbum, das den schlichten Titel `Bob Dylan´ trug.

Die medizinische und ärztliche Versorgung des ländlichen Südens dieser Jahre als mangelhaft zu bezeichnen, wäre eine bodenlose Untertreibung gewesen. Krankenhäuser, in denen man bereit war, Schwarze unentgeltlich zu behandeln, konnte man sich im Süden an den Fingern einer Hand abzählen. In diese Lücke stieß eine Kuriosität, wie es sie, in einigermaßen zivilisierten Landstrichen im Zwanzigsten Jahrhundert, nicht noch einmal gab: Die sogenannten "Medicine-Shows". Selbsternannte Doktoren, die zumeist in den Hinterzimmern dubioser Spielsalons promoviert hatten, zogen über Land und drehten der humanitär vernachlässigten, und zudem an mangelnder Bildung und einem großen Naivitätspotiential laborierenden Landbevölkerung alle möglichen Wundermittelchen an, die nicht selten aus dem Extrakt von Zuckerrohr, vermengt mit Pferdeurin bestanden. Coca Cola wurde erstmals, damals noch tatsächlich mit Kokain versetzt, bei eben solchen Veranstaltungen unter die Leute gebracht. Um dem Geschäft die nötige Attraktion zu verleihen, reiste im Troß dieser Wunderdoktoren allerhand schaustellendes Volk. Feuerschlucker, Bauchredner, Tänzerinnen, und vor allem auch Musiker. Natürlich Bluesmusiker, denn sie spielten die Musik der ländlichen, schwarzen Bevölkerung und sorgten für den nötigen Zulauf, der es den Quacksalbern und Kurpfuschern ermöglichte, aus ihrer Profession, den gewünschten Profit zu schlagen.

Diese Medicine Shows verschafften den Musikern regelmäßige Auftritte, und somit auch regelmäßige Einkünfte, und manche der frühen Blueser reisten oft jahrelang mit ein und der selben "Medicine-Show" durch Staaten des Südens. Diese Shows hatten zudem auch eine, nicht zu unterschätzende soziale Funktion und waren eine der spärlichen Attraktionen im trostlosen Landarbeiterleben.                                                

Dobro schloß sich, nachdem er New Orleans verlassen hatte, ebenfalls einer solchen "Medicine-Show" an, und zwar jener eines gewissen Dr. Albert S. Hackenbush, dessen einziger medizinischer Konnex jener war, daß sein Bruder in Palm Ville/Florida eine herabgekommene Tierarztpraxis betrieb. Dobro blieb bei dieser Show etwa sieben Jahre, erlernte diverseste Formen des ländlichen Blues und perfektionierte sein Gitarrespiel. Diese Phase seines Lebens kann man getrost als seine amerikanischen Lehr- und Wanderjahre bezeichnen. Sein Engagement wurde lediglich durch zwei kürzere Gefängnisaufenthalte unterbrochen. Den ersten handelte sich Dobro wegen eines Raufhandels ein. Der zweite wurde ihm von Dr. Hackenbush persönlich eingebrockt, der einer, in die Jahre gekommenen "Southern Belle", ihre, nicht unbeträchtlichen Ersparnisse unter Leistung des Eheversprechens abluchste, und die Angelegenheit gegenüber dem ermittelnden County-Marshall, schlicht und ergreifend Dobro in die Schuhe schob. Als die Sache schließlich richtig gestellt wurde, hatte Dobro bereits drei Monate auf Parchman Farm hinter sich, und Hackenbush war selbstverständlich über alle Berge. Jedenfalls ist er mitsamt seiner Show nie wieder in Alabama aufgetaucht.

Dieses Erlebnis verarbeitete Dobro zu seinem ersten, amerikanischen Gassenhauer `Tell Me Doctor!´. Ein flottes Bluesstück, in dem er Albert S. Hackenbush als jenen hochstaplerischen, wenn auch zutiefst menschlichen Scharlatan skizzierte, der er gewesen ist.

Wieder auf freiem Fuß begann Dobro allein in Barrelhouses und bei ländlichen Tanzveranstaltungen aufzutreten.

In jene Zeit fiel auch Dobros erste und einzige Eheschließung. Er heiratete die fünfundzwanzigjährige Katherine Deerfield. Die Ehe hielt jedoch nur ein knappes Jahr. Von März 1926 bis Jänner 1927, Katherine, eine Volksschullehrerin in Macon/Georgia, fühlte sich zunächst von Franks Abenteurernimbus und dessen vielschichtiger Persönlichkeit angezogen, verkraftete es jedoch immer schwerer, daß sich ihr Gatte nur alle heiligen Zeiten, wenn es eine `Tourneepause´ erlaubte, bei ihr blicken ließ. Dobro, der zu dieser Zeit nicht im Entferntesten daran dachte, seine eben erst so richtig ausgepackte Gitarre an den Nagel zu hängen, und an seinem Lebensstil etwas zu ändern, mußte schließlich akzeptieren, daß ihn Katherine in Januar 1927, als er nach einer Auftrittsserie in der Nähe von Montgomery/Alabama nach Macon zurückkehrte, kurzerhand vor die Türe setzte. Dobro schrieb für Katherine Deerfield den Song `Blues for K. D.´ Ein gefühlvoller Song in dem er einen besonderen Kunstgriff anwandte. Nicht die verlorene Geliebte wird angesungen, sondern eine andere Frau, mit der Sänger gerade im Begriff ist, eine Nacht zu verbringen:

`Don´t walk up the stairs,

the way she used to do! 

My heart belongs to her

but tonight I´ll be with you.

If you tell me, you don´t mind,

I will play for you the lovin´ kind!´

Der Blues ist ein trauriger Afro-Amerikaner, der sich über sein bitteres Los beschwert. Das ist vereinfacht jenes Bild, das der geneigte Europäer von dieser Musikform hat. Dieses grundlegende Mißverständnis wurzelt in den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts, als die junge, britische Musikszene des Blues für Europa entdeckte, ihn eins zu eins übertrug, und mit einer Art von pseudoproletarischer Sozialromantik vermantschte. Dies war beileibe nicht das erste Mal, das afro-amerikanische Musik durch den Filter weißer Vermarktung rieselte, und anschließend das Derivat zum Original erhoben wurde. So verdanken wir den britischen Bluesrevival der sechziger Jahre mit Interpreten wie Mayall, Korner, Clapton, etc. zwar auf der einen Seite die Erschließung einer, bereits zum zweiten Mal vergessenen musikalischen Welt, auf der anderen Seite aber auch haargenau jene Bluesauffassung, die bis heute in Europa weit verbreitet ist, und auf dem basiert, was ein, von den Frauen, seinen Vorgesetzten und dem restlichen Leben frustrierter junger Mann zu fühlen meint, wenn ein alter Neger die Gitarre zupft.

Das Ergebnis ist jenes, ebenfalls unerträgliche "Poor Boy Image", das weiße Blueser alles Spielklassen verbindet.

Lieder und Musikstücke, in der Bluesform gestaltet, bildeten die Programme auf den Festen und Tanzveranstaltungen der schwarzen Bevölkerung Nordamerikas in etwa, ab den Zwanziger Jahren. Gesungen wurde von der Liebe, vom Alkohol, von der Einsamkeit, von der Arbeit, von all dem, was das Leben, nicht nur dieser Menschen ausmachte und ausmacht. Da gab es langsame und lebhafte Stücke, deren Länge sich vor allem danach richtete, wie lange das Publikum dazu tanzte.

Und es war nicht weiter verwunderlich, daß ein Mann wie Frantisek Dobrovolny, der sich nun schon einige Zeit Frank Dobro nannte, genau in einem solchen Soziotop seine neue kulturelle, kreative und persönliche Heimat fand.

DER BLEIBAUCH UND DER MÄHRISCHE DICKSCHÄDEL - DIE KONTRAHENTEN LEADBELLY UND DOBROVOLNY:

Bereits im Herbst 1923 kam es zu einer Episode, die zwar Amerika ein, bis heute weit verbreitetes, musikalisches Kleinod bescheren sollte, aber die gerechte (und möglicherweise auch finanzielle) Würdigung der Verdienste Dobrovolny´s verhinderte:

In einer Barrelhousespelunke in der Fannin Street des Städtchens Shreveport, Louisiana, traf Dobrovolny den unvergessenen Huddy Leadbetter, auch Leadbelly, der `Bleibauch´ genannt, wieder. Die beiden hatten sich einige Monate zuvor, anläßlich Dobros erster Inhaftierung, auf "Parchman Farm" kennengelernt, einem der berüchtigsten Straf- und Arbeitslager des Südens. Es brauchte damals nicht viel, um als Schwarzer im Süden, von irgendeinem Deputy ein paar Handschellen verpaßt zu bekommen. Auch als herumziehender Weißer ging es einem da nicht viel besser. Abgesehen davon, daß in den Barrelhouses, den teilweise improvisierten Kneipen des Südens, wo an den Wochenenden das Leben tobte, im Dunst von billigem, selbstgebranntem Fusel und latenter, sexueller Gewalttätigkeit Fäuste, Messer und Colts sehr locker saßen. Zeitgenossen Dobros, wie Charlie Patton, oder Son House traten grundsätzlich bewaffnet vor ihr Publikum, und verbrachten ebenso wie der legendäre Bukka White, der in einem Handgemenge einen Mann erschoß, einige Zeit auf "Parchmans Farm", oder in ähnlichen Instituten.

Leadbelly im Originalton:

"Wir mögen das, wenn die Weiber sich bei uns rumtreiben, denn wo Weiber sind, da gibt´s auch Männer, und die bringen das Geld. Und wenn du mit den Weibern ausgehst, dann fangen die an zu saufen .... das kommt dann so über die, und überhaupt schafft uns das alles so gewaltig, daß wir dann auf unsren Gitarren losfetzen, bis die Dinger zu Bruch gehen." (zit. Paul Oliver)

Die Session der beiden Folk-Olympier brachte ein Feuerwerk musikalischer Ideen, obwohl deutlich merkbar war, daß der Konflikt zwischen dem mährischen Dickschädel Dobrovolny und dem Choleriker Leadbelly, gemeinsames Wirken unmöglich machte. Immerhin ein Meisterwerk gelang den beiden: Leadbelly hatte erst kurz zuvor auf irgendeiner Sauforgie ein altes, irisches Volkslied einstudiert, war aber mit dem Originaltext unzufrieden. Hier sprang Dobrovolny in die Bresche. Er adaptierte kurzerhand einen alten Text aus seiner Wiener Zeit, und aus `A Bussal, so siaß wia da Wein´ wurde der Hit `Kisses, Sweeter than Wine´.

Dafür, daß Dobrovolny´s Beitrag in Vergessenheit geriet, zeichnet der Hitzkopf Leadbelly verantwortlich. Schon wenige Wochen nach ihrer neuerlichen Begegnung, kam es auf offener Bühne zu einer Schlägerei zwischen den beiden Kontrahenten, bei der Dobrovolny fast ein Auge, Leadbelly zwei Schneidezähne verlor. Leadbelly sorgte später dafür, daß der "tschechische Hurensohn" für die Prügelei bezahlen sollte. Nicht genug, daß er Dobrovolny´s Beitrag zu `Kisses, Sweeter than Wine´ verschwieg, tischte er den Folkmusicforschern John und Alan Lomax, als diese beiläufig erwähnten, nach den Arbeiten eines gewissen Frank Dobro Ausschau zu halten, derartige Schauermärchen auf, daß diese sofort jegliches Interesse an Dobrovolny´s Musik verloren.

Die beiden Folkmusikforscher John und Alan Lomax (Vater und Sohn) reisten im Auftrage der Musikabteilung der Library of Congress mit einem mobilen Aufnahmestudio in den Jahren 1934 bis 1942 durch den Süden, um die originäre Musik der schwarzen Bevölkerung zu dokumentieren. Das dabei entstandene Konvolut erreichte beachtliche, zum größten Teil nie bearbeitete Ausmaße, und es ist das unleugbare Verdienst der beiden Männer, so manche Perle entdeckt, und der Öffentlichkeit erschlossen zu haben. Doch wie alles, hatte auch diese Geschichte zwei Seiten. Vater und Sohn Lomax bewegten sich zumeist nur auf den Hauptrouten durch den Süden, wodurch vieles, was abseits dieser lag, keine Chance hatte, entdeckt zu werden. Überdies wurde die `Firma Lomax´ zu einer Art von Institution, mit all ihren negativen Begleiterscheinungen. 

John und Alan Lomax waren davon überzeugt, daß es sich bei jenem Frank Dobro lediglich um einen Schaumschläger handelte, der als dilettantischer Plagiator durch die Lande zog, sich mit fremdem Federn schmückte und großmäulige Reden hielt. Und wer einmal die Gnade der großen `Firma Lomax´ verloren hatte, der hatte selbst als Toter keine Chance mehr ein "Revival" durch die Musikindustrie zu `erleben´.                  

Larry "Crawfish" Webster erzählt in seiner in seiner Autobiographie "Howlin´at Midnight":

"Leadbelly war im Grunde nie ein Blueser. Er war nur ein ausgefuchster Typ und es paßte einfach alles auf ihn. Er hatte Baumwolle gepflückt, einen Mann erschossen, und auf seiner Gitarre ziemlich alles drauf, quer durch´s Gemüsebeet. Darum hat er´s später bei den Folkie´s geschafft, die mit ihrer ganzen Sozialromantik voll drauf abfuhren. Er wußte einfach, was die Typen erwarteten, und das lieferte er. Das war auch der Grund warum Frank mit ihm nicht konnte, und umgekehrt, obwohl sie weit mehr gemeinsam hatten, als beide jemals zugeben hätten wollen."

Als Leadbelly einigermaßen berühmt im Jahre 1949 starb, meinte Dobrovolny: "Freunde sind wir zwar nie geworden, aber unterm Strich war er kein übler Kerl. Seine fehlenden Schneidezähne werden ihn wohl noch lange an mich erinnert haben. Vielleicht sehen wir uns in der Hölle wieder."                                                                                                      

„Manchmal blicke ich in den Spiegel und bin verwundert, daß ich einen Weißen sehe“ - Dobrovolny und der Blues

Es ist faszinierend genug, daß es dem Volksmusiker (heutzutage "neudeutsch": Folkmusiker) Dobrovolny gelang, sein Werk als altösterreichischer "Klampfenspieler"  über einen Ozean hinweg im regionalen Liedgut der neuen Welt zu etablieren. Doch selbst die Autoren wurden darüber hinaus in spontanen Zweifel versetzt: Wie konnte es kommen, daß ein Frantisek Dobrovolny zu Frank Dobro wurde, und mehr als nur eine Nische im Blues der Südstaaten besetzte? Hier lag mehr als ein Ozean, mehr als nur die musikalische Tradition der nördlichen Hemisphäre einerseits und den afrikanischen, bzw. afrokaribischen Wurzeln im Blues andererseits dazwischen! Wie konnte es Dobro gelingen, sogar zu einer Triebfeder im musikalischen Vermächtnis ehemaliger Plantagensklaven zu werden?

Um dieses Phänomen begreifen zu können, muß man sich zuerst einmal vor Augen halten, wie sehr unser europäisches Bluesverständnis von weißen Intellektuellen geprägt ist. Viel zu häufig wurde da ungewollt aus Zusammenhängen gerissen, interpretiert, doziert! Mal wird der Blues als simples Takt- und Harmonieschema dargestellt, mal als ethnisch-kulturelle Eigenheit oder rassisch-historisch begründet. Im einen Fall wird er als "die Subkultur des schwarzen Amerikas" zu einem homogenen Päckchen geschnürt, im anderen zur rebellischen Ikone einer weißen Generation, die jene der Enkel der ursprünglichen Blueser sein könnte, gekürt.

All diesen Erklärungen gemeinsam ist ein verkürztes, undialektisches Verständnis des Blues. Fast immer außer Acht gelassen wird, daß der Blues kultureller Ausdruck einer Bevölkerungsgruppe ist, die zu bestimmten Zeiten unter bestimmten (untereinander fast gleichen) Bedingungen gelebt, gearbeitet, gestritten hatten. Natürlich war es eine schwarze Bevölkerungsgruppe, natürlich war gemeinsame Vergangenheit, waren afrikanisch-kulturelle Einflüsse dominierend. Trotzdem (oder gerade deshalb) war der Blues nichts anderes als eben die Musik eines Teils der Bevölkerung, also Volksmusik! Warum also sollte sich ein Weißer, wenn er schon Volksmusiker war, wenn er inovativ und zugleich integrativ genug war, wenn er sich als Teil dieser Bevölkerung fühlte, nicht zur einsamen Ausnahmeerscheinung werden?

Dobrovolny besaß, neben seinem unbestreitbaren musikalische Talent, wahrscheinlich als Einziger seiner Zeit jene Charaktereigenschaften, die ihn dazu befähigten in die Gemeinsamkeit der schwarzen Musiker des Deltas aufgenommen zu werden. Er kannte die sozialen Bedingungen, aus denen der Blues erwuchs, oder konnte sie zumindest nachvollziehen: fast jede Arbeit annehmen zu müssen, um zu überleben. Aber auch umso stärker emotionell fähig zu sein, auch bei den kleinsten Gelegenheiten zu Feiern - ob es Tanzveranstaltungen in den Vorstadtwirtshäusern Wiens oder in den Spelunken New Orleans waren. Zum Tanzen aufspielen oder gemeinsame Freuden und Nöte musikalisch auszudrücken - ob unglückliche Liebe in Ottakring oder familiäre Nöte im Bayou.

Was Dobro aber vor allem auszeichnete, war seine enorme integrative Fähigkeit. Natürlich sollte es ihm keine Probleme bereiten, von den Landlern seines mährischen Geburtsortes zu den Cajun Two Steps, von den Wienerliedern im Dreivierteltakt zu den French Valses des Zydeco zu wechseln. Aber wie er die Bänkellieder und Gassenhauer seiner Wiener Zeit zu den G´schichtln und Balladen des Delta Blues verband, seine eigene Identität einbrachte ohne sie der gewachsenen Tradition aufzuzwingen, davon könnten sich die Vertreter der heute so populären "World Music" mehr als nur eine Scheibe abschneiden!

Selbstverständlich konnte nicht alles so glatt abgehen, wie es sich - theoretisch betrachtet - anhört. Dobro war trotz allem ein Weißer im schwarzen Blues-Millieu. Und sicher hatten sowohl Dobro als auch sein Publikum genug damit zu tun, ihre jeweiligen Vorurteile abzubauen. Ohne die tiefe Freundschaft und Unterstützung von Webster hätte Dobro auch niemals die Akzeptanz erreichen können, die ihn zum "White Godfather of Delta Blues" küren sollte. Die umso größeren Probleme hatte Dobro mit dem weißen Teil der Bevölkerung, und da vor allem mit den weißen Gesetzen, Ge- und Verboten.

"Natürlich war das schwer damals: ich hatte, ehrlich gesagt, sogar einmal geglaubt, ich bräuchte nur in so eine Schwarzenkneipe hinein und könne ihnen einfach die Bucks aus den Taschen ziehen. So wie wir in Wien beim Mayer Michl die Landgimpel ausgenommen haben! Aber hey - die wollten mich gar nicht! So eine schwarze Koberin hatte sogar einmal den weißen Deputy geholt: 3 Wochen Arbeitslager hat´s gegeben - und da bin ich noch gut davon­gekommen!"

Daß sich mit der Zeit auch eine Art "wohlwollende Distanz" seitens Dobro's Publikum einstellte, lag auch daran, daß Dobro begierig war, von schwarzen Musikern zu lernen, und andererseits stets bereit den einen oder anderen "Song" zu verschenken, zu erklären, wie er seine Dobro-Gitarre gebaut hatte, und überhaupt seine eigenen musikalischen Kenntnisse mit anderen, vor allem neugierigen Jugendlichen und sogar Kindern zu teilen. So kam es dann auch vor, daß irgendein schmalbrüstiges schwarzes Jüngelchen ihrer Mammy einen auf der Straße aufgelesenen weißen Tramp zum Essen heimbrachte. Die argwöhnischen, oft ängstlichen Eltern, mußten dann ihre dünne Maissuppe mit dem ungebetenen "Gast" teilen, und nicht immer entspannte sich das Verhältnis erst, wenn Dobro nach dem Mahl auf der Veranda ein paar Akkorde zupfte. Doch solche Geschichten verbreiteten sich schnell im Delta und nach und nach wurde Dobro erst als "skurrile Figur" geduldet und später - mit der Bootleg Blues Band - wirklich akzeptiert.

"Dieses Herumziehen auf der Landstraße, irgendwelchen noch ärmeren schwarzen Mammis die Suppe weglöffeln, die paar Wochen Arbeitslager mit Schwarzen, die dir den Arsch aufreißen können bevor du noch 'Guten Tag' sagen kannst, diese verdammte Tabakernte, der Pulque-Fusel beim Samstag-Tanz in irgendeinen leeren Lagerhaus....Mann, ich weiß wie diese Kerle leben, ich hab mit Schwarzen geschuftet, gesoffen, gespielt und gestritten, gegen die war Malcom X. blütenweiß! Ich hab von ihnen gelernt und sie von mir. Manchmal blicke ich in den Spiegel und bin verwundert, daß ich einen Weißen sehe!"

Dobrovolny vergönnte seinen Schülern den teilweise späten, und im Vergleich zu deren späteren, weißen Epigonen durchaus bescheidenen Ruhm, wandte sich jedoch bereits zu seiner Zeit stets vehement, ja beinahe aggressiv, gegen jegliche Art von ethnischem oder sozialen Voyeurismus. Er distanzierte sich in späteren Jahren auch vom puritanischem Blues und hätte dies wohl auch gegen dessen Aneignung durch die weiße Mittelklasse getan. Das Blues Revival der Sechziger Jahre, im Zuge dessen viele alte, beinahe vergessene Musiker nach England kamen und dort mit diversesten bekannten Band spielten, erlebte Dobrovolny nicht mehr. Eine Anekdote aus dieser Zeit beschreibt Memphis Slim, der von einer namhaften Band auf einer England Tournee begleite wurde. Als Slim sich einmal aus dem Bluesschema hinausbewegte und von einem Musiker darauf angesprochen wurde, daß jetzt der Akkordwechsel zu spät gekommen wäre, drehte sich der alte Mann um und sagte: "Memphis Slim wechselt, wann Memphis Slim es für richtig hält." Vielleicht hätte Dobrovolny die ganze Sache in seiner etwas direkten Art etwa so kommentiert: `Sie haben den Blues wohl meist dazu benutzten, um billig an Weiber und stärkeres Zeug ranzukommen, und überhaupt ihre persönlichen Neurosen auszuleben. Wir hatten damals natürlich auch jede Menge Spaß, und da ging schon mal die eine oder andere Flasche Fusel runter. Aber es ging uns niemals nur darum!´

LARRY "CRAWFISH" WEBSTER - KONGENIALER PARTNER IN DER "BOOTLEG BLUES BAND"

Larry `Crawfish´ Webster wurde am 27. März 1891, als ältester Sohn des Ehepaares Hattie und Joseph Webster in der Nähe von Lexington/Virgina geboren. Als er etwa sieben Jahre alt war, zogen seine Eltern nach Pascagoula/Mississippi, wo sie Anstellung auf einer Langustenfarm fanden. Aus dieser Zeit behielt der junge Larry auch seinen Beinamen `Crawfish´. Bereits als Zwölfjähriger spielte er die Mundharmonika auf den wochenendlichen Tanzveranstaltungen, und mit Sechzehn verließ er Pascagoula, um in diversen Jugbands und ähnlichen Combos sein Geld zu verdienen.

Sein Weg führte ihn kreuz und quer durch den Süden, wobei seine Spur auch durch so manche uneheliche Frucht der einen, oder anderen Liebesaffäre dokumentiert ist.

So gut wie keiner der Musiker des Südens konnte durch sein Spiel alleine über längere Zeit seinen Lebensunterhalt bestreiten. Und so war auch Dobro immer wieder dazu gezwungen, auf andere Ressourcen zurückzugreifen. So finden wir ihn als Erntehelfer oder als Busfahrer wieder.

Erst als es ihm gelang, die erste Formation der Bootleg Blues Band zusammenzustellen, eine drei Mann Band mit Dobro an der Gitarre, Larry "Crawfish" Webster Mundharmonika und wechselnder Besetzung am Baß bzw. Washboard oder kleinem Schlagzeug, gelang es der Band, ein Auskommen zu finden.

"Crawfish" Webster erinnert sich:

"Frank hatte irgendwo ein altes T-Modell aufgetrieben. Es war eine ziemliche Leiche ohne Getriebe und die Kolben waren auch schon hinüber. Von den Bremsen ganz zu schweigen. Aber wir kannten da in Clarksdale (Mississippi Anm.) einen Typ, der war sagenhaft. Der konnte dir aus einer durchlöcherten Gießkanne glatt eine ganze Karre zusammenbauen. Frank hatte von irgendwo her ein paar Gallonen Fusel und so kamen wir ins Geschäft und hatten unser eigenes Fahrzeug. Das war eine ziemliche Sensation und überall, wo wir mit unserer Lizzy auftauchten, war ein höllisches Spektakel am Laufen. Das ging ein paar Jahre so. Und Mann, wir waren gut und die Mädels wußten das zu schätzen und Frank schaute drauf, daß die Kassa stimmte und hielt auch das Geld zusammen. Er schaffte es tatsächlich, daß immer Moos im Stall war. Das mußte wohl an seiner Herkunft liegen. Da konnte er richtig geizig sein. "

Das Vorhandensein eines eigenen Transportmittels war für eine gemischtrassige Gruppe in diesen Jahren unerläßlich, zumal das gemeinsame, öffentliche Reisen von Schwarzen und Weißen unmöglich war.

Selbst in den Swing Bands der großen Städte, wie etwa in Benny Goodmans Kapelle, waren schwarze Musiker, wie etwa der legendäre, früh verstorbene Charlie Christian, aufgrund ihrer Fähigkeiten begehrte Instrumentalisten, mußten die Konzerthallen aber nach den Events durch die Hintereingänge verlassen. Der erste Hit der Bootleg Blues Band war `Me And I, Drinkin´ Rye´, am sinnfälligsten wohl mit `Trink i an Wein´ zu übersetzen.

Pikant ist auch der Umstand, daß gerade der KuKluxKlan, der Dobro, als "das weiße Schwein, das mit dreckigen Niggern unsere Musikhallen besudelt" auf einer Killerliste führte, die Ursache für die lebenslange Freundschaft Dobro-Webster war. Nach einem Auftritt in Baton Rouge mußte Dobro die Kneipe, in der er aufgetreten war; wieder einmal durch die Hintertüre verlassen. Eine Kellnerin hatte ihn gewarnt, daß der örtliche Clan ihn nach der Sperrstunde einen Besuch abstatten wolle.

Am Hafen wäre Dobro beinahe seine geliebte Gitarre zum Verhängnis geworden, denn ein Weißer mit einer Gitarre mit blechernem Deckel fiel auf, wie der Teufel im Weihwasserbecken. Und prompt konnte ein kleiner Trupp Maskierter Dobro bei den Ladeplätzen stellen. Es hätte wohl Dobros sicheres Ende bedeutet, wenn nicht plötzlich ein hünenhafter Schwarzer, der hinter einigen Baumwollballen geschlafen hatte, wie ein böser Dämon unter die selbsternannten Rassenreiniger gefahren wäre, und zwei der Angreifer kurzerhand ins Hafenbecken befördert hätte.

"Ich schlief also auf einem Packen Baumwolle. Mag sein, daß ich an diesem Abend ein wenig getankt hatte, keine Ahnung. Jedenfalls wache ich da wegen irgendeinem Geräusch auf, und sehe, da diese Bubis, wie sie irgendeinen Typen in die Mangel nehmen wollen. Na, ich nichts wie hinein in die Versammlung und ordentlich drauf! Dem letzten verpaßt dieser kleine Kerl eins mit seiner Gitarre. Ich denke noch, `schade um das gute Stück´, da komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Gitarre ist heil, nur in dem komischen Blech vorne ist eine Delle. Und der Kerl, der das Stück in der Linken hält, und grinsend mit der rechten den Daumen nach oben reckt - ist ein Whitey!"

Es war natürlich keine Frage, daß die beiden schleunigst zusahen, so weit weg von Baton Rouge wie nur möglich zu kommen. Ihr gemeinsamer Weg sollte andauern, bis Frank zurück nach New Orleans ging, und Webster sich in Magnolia/Arkansas ansiedelte.

Larry `Crawfish´ Webster starb am 23. November 1971 auf seiner Farm.

LAST FAIR DEAL GONE DOWN - VÄTERLICHER FREUND UND MENTOR VON ROBERT JOHNSON

Zu der Zeit als Dobro Robert Johnson kennenlernte, war der Blues des Südens bereits Im Begriff, einen Quantensprung zu vollziehen. Der große Exodus der Musiker in die Städte des Nordens stand kurz bevor.

Robert Johnson war ein ruheloser Jüngling, der sich gewöhnlich bei Auftritten von Son House, Charlie Patton oder der Bootleg Blues Band herumtrieb, und in den Pausen selbst aufs Podium stieg, wobei er sein Instrument derart malträtierte, daß man ihn regelmäßig von der Bühne holte. Dobrovolny war wohl der einzige, der das Feuer, welches in Johnson loderte erkannte, und nahm ihn unter seine Fittiche. Doch wie auf keinen anderen, trafen auf Johnson die Zeilen aus Booker T. Jones, `Born Under A Bad Sign´  zu, in denen es heißt:

`...wine and women, is all I crave,

a big bad woman´s gonna carry me to my grave...´

Frank Dobro wurde für Robert Johnson das, was dreißig Jahre später ein durchschnittlicher, britischer Bassist namens Chas Chandler für Jimi Hendrix werden sollte. Animator und Manager einer Karriere, die, hätte sie besagte dreißig Jahre später stattgefunden, der eines Hendrix um nichts nachgestanden wäre.

Zunächst schickte Dobro Robert nach Alabama, genauer gesagt nach Selma, wo sein alter Freund, John "Clawhand" Skelton einen Friseurladen betrieb. Clawhand kam zu seinem etwas makaberen Beinamen dadurch, daß er, ähnlich wie sein europäischer Zeitgenosse Django Reinhardt, nach einem Unfall, bei Reinhardt war es ein brennender Wohnwagen, bei Skelton eine defekte Erntemaschine, bereits in jugendlichen Jahren eine verkrüppelte linke Hand zurückbehalten hatte. Ungeachtet dessen, oder gerade deswegen, entwickelte Skelton eine atemberaubende Slidetechnik auf der Bottleneckgitarre, die im ganzen Delta und seinen nördlichen Ausläufern berühmt war.

Einem alten Voodooritual zufolge kann man lernen, auf seiner Gitarre zu spielen, was immer man will, indem man sich kurz vor Mitternacht an einen Kreuzweg begibt. Es wird dann ein großer, schwarzer Mann kommen, dein Instrument nehmen, es stimmen und ein Stück darauf spielen. Dann wird er es dir zurückgeben. Dieser schwarze Mann ist niemand anderer, als Legba, eine Art Geist der Finsternis im Vodoo. Am ehesten entspräche er wohl dem Teufel, der immer bereit dazu ist, mit den Lebenden einen Pakt um deren Seele abzuschließen.

Legba war im Falle von Robert Johnson wohl niemand anderer als der alte John "Clawhand". Ob sich die beiden je zu mitternächtlicher Stunde an einem Kreuzweg eingefunden hatten, wird uns wohl für immer verborgen bleiben.

Als Johnson nach Mississippi zurückkehrte, war er, zumindest was sein Gitarrespiel anbelangte, ein völlig anderer, uns so mancher mag gedacht haben, daß dies wohl nur mit dem Teufel zugehen konnte.

Doch Dobro, inzwischen ein alter Hase im Showgeschäft wußte, daß noch etwas mehr dazugehörte. Gitarristen und Sänger der Extraklasse gab es im Süden mehr als genug, als daß ein relativer Newcomer sich allzu lange von der Masse abzuheben im Stande gewesen wäre.

Das Zauberwort hieß Voodoo, und so strotzten Johnsons Texte von Teufeln, Höllenhunden, angehexter Impotenz und dergleichen mehr Alptraumszenarien. Johnsons überliefertes Werk, das lediglich aus neunundzwanzig, kurz vor seinem Tod aufgenommenen Songs besteht, wurde zu einem schier unerschöpflichen Quell, insbesondere des britischen Bluesrevivals der Sechzigerjahre.

Eric Clapton, einer der traurigsten weißen Männer des Blues, bevor er sich vornehmlich auf das Tragen von Designeranzügen und das gemeinsame Auftreten mit Mark Knopfler bei Benefizveranstaltungen konzentrierte, was er jedoch mit seiner 1994er CD "From the Cradle" wieder einigermaßen wettmachte, griff wohl am tiefsten in die Robert-Johnson-Lade. Aus Johnsons Crossroad Blues und dem Travelling Riverside Blues, machte er simpel Crossroads. Der Minglewood Blues mutierte auf dem Umweg über Muddy Waters zu Rolling and Tumbling. From Four Till Late floß direkt ins erste Album der Cream ein. Steady Rollin´ Man fand man auf einem seiner ersten Soloalben.

Squeeze my lemon, till the juice runs down my legs - dieser sexistische Imperativ aus Led Zeppelins Lemon Song (Led Zeppelin waren im übrigen wahre Meister in der Kunst, schwarze Zwischentöne in blanken, weißen Sexismus umzuwandeln), hören wir als bloßes Angebot einer Möglichkeit (....you can squeeze....) und in vollkommen anderem Kontext in Johnsons Travelling Riverside Blues.

Die wahren Schüler, und wahrscheinlich jene, denen Dobro es auch nicht übel genommen hätte, waren jedoch die Rolling Stones. Und dies nicht nur aus dem Grund, da sie Johnsons schönsten Song `Love in Vain´, gleich zweimal auf Platte brachten. Hört man sich die Aufnahmen der Stones aus Ihrer Zeit als `Greatest Rock and Roll Band of the World´ von Beggars Banquet (1968) bis Sticky Fingers (1971) an, so könnte man sagen, sie waren die Einzigen, die durchschaut haben, was im Blues noch so alles drinsteckt. Aus jeder zweiten Plattenrille reckt ein kleines Teufelchen seine Hörner hervor, und hinter jedem Break lauert der Schamane, bis sie schließlich auf dem Cover von `Goat´s Head Soup´ (1973), den Teufel in der Suppe kochten.

In späteren Jahren auf Robert Johnson angesprochen, pflegte Dobro, nicht ohne Bitternis in der Stimme zu antworten:

"...Bob (Johnson Anm.) hat wohl an irgendeinem verdammten Punkt in seinem Leben damit begonnen, seine Texte für bare Münze zu nehmen. Und er hat zweifellos zu früh damit angefangen, die ganze Sache wirklich ernst zu nehmen..."

Damit sind wir wieder bei "Born Under a Bad Sign": Anläßlich einer Tanzveranstaltung wurde Johnson, der wohl der falschen Frau Avancen machte, vergifteter Whisky untergejubelt. Tage später starb er, nachdem ihm das Gift die Eingeweide zerfressen hatte.

Larry Webster schreibt in seiner Autobiographie:

"Nach Bobs (Robert Johnsons Anm.) Tod war Frank nicht mehr der selbe. Er verschwand dann auch für einige Zeit. Wir hatten das besprochen und es war OK. Mit der Bootleg Sache hatten wir unterm Strich eine Menge Kies gemacht, und nachdem Frank dafür gesorgt hatte, daß nicht alles für Weiber und Fusel draufging, reichte mein Anteil, als wir die Band auflösten, damit ich mir in Arkansas, in der Nähe von Magnolia ein Fleckchen Land zulegen konnte. Es war ohnedies Zeit mit dem Tingeln aufzuhören. Ich glaube, im Leben kommt einfach diese Zeit. Und es kommt nur darauf an, daß man´s packt, sonst bleibst du auf ewig auf der Straße hängen. Frank wurde dann ja auch seßhaft. Und mit der Musik ist ja natürlich nie Schluß. Soll auch so sein, aber irgendwie läuft es halt anders!"

Nach dem Tod seines "Sohnes" zog sich Dobro einige Zeit aus der Öffentlichkeit zurück. Erst ein Jahr später, am 21. August 1939 erleben wir ihn in Natchez/Mississippi, wo die Bootleg Blues Band ein letztes, fulminantes Konzert ablieferte. Die Besetzung: Frank Dobro, John Lee Hooker, Mc Kinley Morganfield an den Gitarren, Willie Dixon am Baß, "Crawfish" Webster an der Harmonika und einem gewissen Peacoe Jackson am Schlagzeug. Sowie ein 14-jähriger Gitarrist mit Namen Riley King, der hier erstmals öffentlich, bei vier Nummern, auftrat.

Roscoe Oliver, ein junger Musikjournalist aus Detroit, war extra angereist, um dieses Konzert auf Wachsplatten zu bannen. Auf der Heimfahrt, in der Nähe von Ann Arbor kam Olivers Wagen von der Fahrbahn ab, stieß gegen einen Pfeiler und brannte vollständig aus. Roscoe Oliver kam mit dem Schrecken davon, die einzigartigen Tondokumente jedoch, wurden ein Raub der Flammen.

Die Tafel, die ursprünglich auf dem Pfeiler angebracht war, trug die Aufschrift `Detroit 96´ (die Anzahl der Straßenmeilen nach Detroit. Anm.)

Frank´s letzte, definitive Blueskomposition trug den bezeichnenden Titel. "Motown 96 Blues".

Wenig später setzte der Exodus der Bluesmusiker des Südens in die Städte des Nordens ein. St.Louis, Detroit, Chikago, wurden die neuen Zentren des Blues. Muddy Waters, Howlin´ Wolf, John Lee Hooker, T-Bone Walker und andere seine Protagonisten. Der ländliche Blues des Südens fiel ein einen Dornröschenschlaf, von dem er erst gute dreißig Jahre später, durch das eine oder andere der zahlreichen Folkrevivals, erlöst wurde.

Dobro folgte dem allgemeinen Zug nach Norden nicht. Er ging zurück nach New Orleans. Mag sein er hatte kurz im Sinne, in die alte Welt zurückzukehren, obwohl dies kaum anzunehmen ist, da in seiner engeren Heimat bereits ein anderer Wind sein drohendes Geheul anzustimmen begonnen hatte.

Dobro hatte, was unter anderem seine Nummer `Makin´ Rhymes o´er Vienna´ beweist, seine alte Heimat nie völlig vergessen. Jedenfalls war Dobro in diesen Tagen in New Orleans anzutreffen. Vorzüglich im Congo Park, dem heutigen Louis-Armstrong Park, im dem sich die Anhänger des Voodookultes an den Samstagen zu ihren Festen trafen.

Die `Zydeco Years´

Die ersten Kontakte mit den musikalischen Traditionen des Cajun und Zydeco knüpfte Dobro bereits in den Jahren 1917 -1920, unmittelbar nach seiner Ankunft in New Orleans. Obwohl die Cajun Twosteps und Waltzes musikalisch seinen eigenen Wurzeln (Landler, Walzer) näher standen als der im damaligen Delta gepflegte Blues, gab Dobro bei der musikalischen Orientierung letzterem den Vorzug. Einerseits faszinierte wohl das für Dobro Neue, andererseits hatte Dobro genug damit zu tun, seine Lieder zu "anglisieren" und sich nicht auch noch "Acadian French" anzutun. Letztendlich entscheidend war wohl die Tatsache, daß Dobro im Blues sehr wohl auch die Möglichkeit sah, sich den einen oder anderen Dollar zu erspielen, im Gegensatz zum Cajun, der im damaligen Empfinden außerhalb Cajun Country so etwas wie der Inbegriff des Hinterwäldlertums war. Gänzlich spurlos blieb Dobro in der Cajun-Szene von damals möglicherweise doch nicht: immerhin erinnert der Cajun-Traditional "Mardi Gras in New Orleans" doch frappant an einen Altwiener Gassenhauer Dobrovolny's: "Faschingsgschnas in der Lobau".

Wie auch immer, fest steht, daß sich Dobro irgendwann Anfang bis Mitte der Vierziger Jahre intensiv dem Cajun und Zydeco Louisianas zugewandt hatte. Der Grund lag in der drastischen Veränderung, die sich im Umfeld des alten Delta Blues ereignete. Die großen Bluesmusiker des Südens zogen in die Städte des Nordens, der alte Country Blues mußte seiner moderneren urbanen Variante das Feld überlassen, und obwohl die sich entwickelnde Plattenindustrie einen zwar bescheidensten, für fahrende Bluessänger aber trotzdem ansehnlichen Happen am Gewinn bot, war für den traditionellen Stil Dobros dabei kein Platz. Zumal Dobro sich musikalisch nur "im Leben" entfalten konnte: auf kleinen Bühnen in Klubs, Landwirtshäusern, bei Festen, Tanzabenden und ähnlichem. Genau dieses Umfeld bot Cajun Country. Die Fais Do Do - "Familienfeste" der Weißen, die samstäglichen Tanzveranstaltungen in den schwarzen Zydeco-Kneipen, die oft schon vormittags begannen und am nächsten Tag erst endeten.

"Irgendwie hab ich mich gefühlt, als ob das alte Liebhartstal und die ersten Jahre der Bootleg Blues Band gleichzeitig zurückgekommen wären! Irgendein Schuppen, meterweise Bier, deine Lieder mußt du schreien, nicht singen, um gegen den Lärm anzukommen. Meistens war gar keine Bühne da, und ich mußte mich einfach auf einen Tisch stellen, damit die Gitarre überhaupt gehört werden konnte! Und die anderen Instrumente! Ich hatte mich gar nicht mehr erinnern können, wie das war, mit einem guten Akkordeonisten zu spielen, oder mit einem Fiedler! War das ein Gefühl, wieder zu spielen, und du merkst, wie es die Leute in den Füßen juckt. Und wenn du es gut machst, gehen sie erst von der Tanzfläche, wenn man sie mit Gewalt runterholt!"

Wenngleich Dobro keine ähnlich grandiose Karriere wie als Blueser startete - Dobro war doch schon etwas seßhafter geworden und mied eher monatelange Gewalttouren durch die Lande - so blieb ihm doch die Rolle einer Art "grauen Eminenz". Dobro war mitverantwortlich dafür, daß sich die Gitarre, vornehmlich auch in der Slide-Spieltechnik, im Cajun als Instrument durchsetzte (bis Ende der Vierziger waren Akkordeon, Fiedel und Waschbrett die Standardbesetzung). Und selbstredend war es auch Dobro, der die Elemente des Blues in den Zydeco einbrachte, und die schwarzen Akkordeonisten wie Armedee Ardoin (den ersten schwarzen Profimusiker Louisianas) oder den jungen Clifton Chenier dazu ermunterte. Sofern es sich um Auftritte in seiner näheren Umgebung handelte, gilt es als sicher, daß Dobro auch die eine oder andere Session mit Lokalgrößen wie Nathan Abshire durchgeführt hat. Ob er hingegen auch mit dem späteren "King of Zydeco" - Clifton Chenier - persönlich bekannt war, ist nicht erwiesen. Immerhin jedoch ist der Alterswohnsitz von Dobro nahe Opelousas nur ein paar Steinwürfe von der armseligen Hütte entfernt, in der Clifton Chenier geboren wurde.

Insgesamt jedoch war es die Lebensweise im Cajun Country, die der Persönlichkeit Dobros weit mehr zusagte, als die zunehmende "Yankeesierung" im Delta. Während dort zunehmend die modernen Amerikanischen "Tugenden" des Business Oberhand gewannen, war (und ist) die Grundhaltung hier "joie de vivre" oder "passing a good time". Außerdem war der Landstrich zwischen New Orleans und der Grenze Louisianas zu Texas - bei aller gebotenen Vorsicht - weniger rassistisch eingestellt, als der restliche Süden. Immerhin bildete der bereits genannte Armedee Ardoin schon in den Dreißigern mit dem weißen Geiger Dennis McGee ein berühmtes Duo.

Es ist auch kein Zufall, daß sich der jahrelang rast- und ruhelose Dobro ausgerechnet im Atchafalaya-Becken mit dem Gedanken der Seßhaftigkeit vertraut machte. Mitte der Vierziger Jahre mietete sich Dobro in der Kreisstadt Crowley am Highway 13 ein. Die Gegend lag ihm auch deshalb, weil sie traditionell von vielen Deutschstämmigen besiedelt war, und Dobro hier seine mangelnde Kenntnis des Acadian French nicht hinderlich war. Im Gegenteil: es kam gut an, wenn er alte Wienerlieder wie "Amoi machts an Plumsta" ins Cajun-Strickmuster gesteckt vortrug. Und die Küche seiner Gastgeber, der Familie Eugene und Cathy Labranche (dt. Zweig - sic!) mit ihrem kreolischen und bajuwarischen Elementen mag dazu beigetragen haben, daß sich Dobro mit seinen später Ersparnissen endgültig in Opelousas, etwa 50 Meilen nordöstlich von Crowley zur Ruhe setzte - nicht ohne gelegentlich einmal für eine Home-Cooking-Party bei den Labranche's oder ein Erntefest wie den Eunice Crawfish Etouffee oder dem Opelousas Yambilee die Gitarre aus den Koffer zu holen.

"Marie ist manchmal vorbeigekommen um hot boudin (scharfe Reiswurst, Anm.) für Frank zu holen. Und so alle zwei drei Monate kam er selbst mal am Samstag, meine Frau hat ihren hot gumbo (Eintopf, Anm.) oder cracklins (gegrillte Schweinshaut) gekocht, und Frank hat reingehauen wie ein Junger. So ein halber Kasten Bier dazu war für ihn kein Problem. Dann hat er seine Gitarre genommen, irgendwer kam mit einem Creole Accordeon oder einer Fidel, und los gings. Nur wenn Frank so seine alten Lieder wie 'Das alte Haus in Liebhartstal' angestimmt hat, haben alle anderen Pause gehabt....und die Weiber haben geflennt wie die jungen Hunde!"

(Eugene Labranche)

TURNED ME INTO THE HONGA MAN  - FRANK DOBRO UND VOODOO

Eines von Frank Dobros Spätwerken, `die prüde Marie´, stammt wohl aus der Zeit, als es zunächst wohl vergeblich um die Gunst der dreißig Jahre jüngeren Marie Benoit warb. Marie Benoit war die mittlere von drei Töchtern des Pierre Benoit, der in Baton Rouge einen Hardware Store betrieb. Frank, der bereits Anfang sechzig war, aber noch gut für fünfundfünfzig durchging, betrat eines Freitag nachmittags des Jahres 1952 Pierre Benoits Geschäft, in der Absicht, sich einige Teile für eine verbesserte Version seiner alten `Dobro´ zu besorgen. Marie Benoit war damals Anfang Dreißig, verwitwet - die Ehe war kinderlos geblieben - und eine blühende, kreolische Schönheit. Anläßlich seines einzigen Interwiews erinnerte sich der greise Dobro:

"Ich ging in diesen Store, denn ich brauchte für ein Instrument, das ich gerade am Bauen war, ein Aluminiumbecken, und Benoits Laden in Baton Rouge war mir empfohlen worden. Ich ging da also rein, und viel weiter kam ich nicht. Sie hat mich einfach umgehauen. Ich hätte es mir nie träumen lassen, daß es ein altes Maultier wie mich noch einmal derart erwischen könnte. Marie trug ein hellblaues Kleid, ziemlich hoch geschlossen, eigentlich schon fast ein wenig altmodisch für diese Zeit. Viel mehr bekam ich von ihr auch nicht zu sehen, denn sie Stand ja hinter dem Pult. Aber da waren diese Augen! Tiefbraune Augen. Später erfuhr ich dann, daß sie verwitwet war, daß heißt ich hab gleich nachdem ich mein Aluminumbecken bezahlt hatte, in der gegenüberliegenden Bar die Leute ausgefragt. Marie hat mich dann noch ganz schön zappeln lassen. Ganze drei Jahre, daß muß sich einer vorstellen. Da macht sich so ein alter Sack noch einmal derart zum Narren. Meine Heiratsanträge hat sie zwar nie angenommen. Aber sie ist schließlich hierher nach Opelousas gekommen. Gott! Ich fühlte mich wie Zwanzig. Nun ja, und was dabei rauskam, läuft hier auf der Veranda herum. Ich werde zwar nicht mehr erleben, daß meine Kinder den Führerschein machen, aber ein Stück von mir wird weiterleben. Um das gehts doch wohl?"

Im Jahre 1959 findet sich im Buch des Friedensrichters von Lafayette, Louisiana die Eintragung, daß eine gewisse Marie Benoit von Zwillingen entbunden wurde. Ein Mädchen und ein Junge, die auf die Namen Christine beziehungsweise Wenzel getauft wurden. Als Vater wurde ein gewisser Frank D. Browoonie angegeben.

Mit Dobrovolnys Beziehung zu Marie Benoit begann sich für ihn auch ein ganz anderer Kreis zu schließen. Wir erinnern uns an Robert Johnson und dessen Lyrik, an die okkulte Seite des Blues, die vor allem auf Voodoo basiert. Voodoo ist eine karibische Naturreligion mit westafrikanischen Wurzeln, die noch einiges mehr an Show zu bieten hat, als das Abbeißen von Hühnerköpfen. Eines der liebsten Kuscheltiere videokonsumierender Kinder, der Zombie, stammt nebst einer erklecklichen Anzahl von Ritualen, mit Hilfe derer man allen möglichen Menschen, alle möglichen Unappetitlichkeiten anhexen, respektive deren Denken und Handeln beeinflussen kann, ebenfalls daher. Voodoo war und ist unter der schwarzen Bevölkerung des Südens der USA ein Faktor. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, daß entsprechende Passagen in den Texten der bekanntesten Bluesklassiker auftauchen. Der `Hoochie Coochie Man´ mit seinem schwarzen Katzenknochen, oder der `Mojo´ der just bei der einen Frau nicht funktionieren will. Zur Erklärung: ein Mojo ist ein ritueller Gegenstand, mit dessen Hilfe man nach Voodoo Menschen beeinflussen und Möglichkeiten manipulieren kann. Was macht also der Hex´, um an die Auserwählte ranzukommen? Genau! Er nimmt einen Mojo, und schon entbrennt die Angebetete in schier unstillbarer Leidenschaft. In Muddy Waters `Got My Mojo Working´ funktioniert der Zauber eben nicht, und so gesehen ist es ein nettes, humoriges Liedel. Kaum nimmt sich eine weiße Bluesband der Sache an, droht sie, in dem was rüberkommt zur puren Sexualprotzerei zu entgleiten.

Voodoo war in der Mitte des 19. Jahrhunderts unter den Schwarzen des Südens derart verbreitet, daß die weißen Behörden die Ausübung des Kultes sogar verboten. Das änderte sich, als sich die Voodoopriesterin Marie Laveau der Angelegenheit annahm. Sie ließ einige christliche Symbole einfließen, und öffnete ihren Salon für alle Gesellschaftsschichten. Marie Laveau, die 1881 starb, wurde zu einer absoluten Kultfigur, und soll in ihrem Haus, welches nun ein Voodoomuseum beherbergt, noch heute herumspuken. Marie Benoit ist eine Urgroßnichte jener Marie Laveau, und Dobrovolny wiederum war die ganze Voodoogeschichte, natürlich ebenfalls vertraut. Nicht umsonst hatte er seinen Anteil an Robert Johnsons Textwelten. Ob die beiden, Dobrovolny und Johnson tatsächlich Eingeweihte des Kultes waren, ist nicht mehr festzustellen. Als sicher anzunehmen ist jedoch, daß im Hause Benoit das eine oder andere Ritual stattfand. Marie Benoit lebt heute, als alte Dame, wieder in Baton Rouge.

In seinen letzten Lebensjahren beinahe vollständig erblindet (eine Folge der seinerzeitigen Schlägerei mit Huddie Leadbetter), verbrachte er seine Tage auf der Veranda seines Hauses in Opelousas/Louisiana.

Am Abend des 16. Augusts 1964 erhob sich ein greiser Mann aus seinem Schaukelstuhl, blickte ein letztes Mal in die Augen jener Frau, die das Glück seiner späten Jahre gewesen war, und ging wortlos in Richtung der Mangrovensümpfe davon.

An diesem sternenklaren Sommerabend verliert sich die Spur des Schuhmachergesellen Frantisek Dobrovolny, geboren in einer Kleinstadt in der ehemaligen Donaumonarchie, der zwar nicht unmittelbar deshalb ausgezogen war, um die Welt zu erobern, es aber auf seine Weise zweifellos und nachhaltig getan hatte.

Mag seinem Leben und Werk jener Platz zukommen, der ihm gebührt!


POSTSKRIPTUM:

Alois Repp (1846 - 1918)

Es war am 3. Juli 1866, als Alois Repp, ein 20 jähriger Infantristen der k.u.k. Armee, gemeinsam mit tausenden seiner Kameraden verzweifelt an ihren Vorderladerbüchsen hantierten. Der Gegner feuerte Gewehrsalve um Gewehrsalve in die österreichischen Reihen. Der Junge Alois Repp sah Kameraden um Kameraden getroffen zu Boden sinken. Pulverdampf nahm ihm die Sicht und die verzweifelten Schreie der Sterbenden und Verwundeten trieben ihm Schauer von Todesangst durch den Körper Er zitterte so stark daß er kaum noch seinen Ladestock in die Gewehrmündung einführen konnte. Schreie, Blut und Staub war alles was ihn umgab, war alles was er wahrnahm in dieser größten Schlacht des 19ten Jahrhunderts, in der auf beiden Seiten jeweils über 200.000 Soldaten aufeinandergehetzt wurden. Alois Repp wußte nichts von Bismarcks ehrgeizigen, deutschen Einigungsplänen, nichts von General Moltke, der den österreichischen Befehlshaber Benedek und dessen Truppen eingekesselt hatte. Und er wußte nichts vom Zündnadelgewehr, mit dem die preußischen Soldaten ausgerüstet waren, nichts davon, daß sein eigener oberster Kriegsherr, seine apostolische Majestät, Kaiser Franz Joseph I, dem Erfinder dieser Waffe die Tür wies, als ihm dieser seine Erfindung anbot.

Im Grunde wußte er nicht einmal genau, wo Königgrätz eigentlich lag. Er wußte nur, da drüben, das waren Preußen und die schossen dreimal so schnell wie er zurückschießen konnte. Panik befiel den jungen Alois Repp, und er wollte nur, daß es aufhörte, einfach aufhörte. Und es hörte auf. Mit einem stechenden Schmerz, der Alois Repp unterhalb der Hüfte durch seinen Körper fuhr hörte es auf, und das Schwinden seiner Sinne war ihm in diesem Moment Erlösung.

Alois Repp kehrte heim nach Wien, zumindest im Wesentlichen. Ein Teil von ihm blieb in Königgrätz. Nicht nur sein rechtes Bein, das ihm knapp unterhalb der Hüfte amputiert werden mußte. Auch die Zuversicht, der Lebensmut, das Vertrauen des jungen Mannes war nachhaltig erschüttert worden. Er fand schließlich Arbeit in einer der zahlreichen kleinen Manufakturen der Residenzstadt und war Zeit seines Lebens als Metallstanzer tätig. In einer der vielen kleinen Hinterhoffabriken die es in den Wiener Vorstädten zu finden gab. Über den Großteil seines Lebens wissen wir so gut wie nichts. Das Wenige was uns bekannt ist, erzählte Frank Dobro bei seinem Interview mit Lizzy Tootsnake. Aber auch Dobrovolny begegnete Repp erst in dessen späten Jahren, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Einer Eintragung des Standsamtes Neulerchenfeld zufolge verstarb ein Gewisser Alois Repp 1918. Er wurde Opfer der selben Grippeepidemie, die auch Egon Schiele und dessen Gattin das Leben kostete.

Doch gehen wir zurück in die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Franz Dobrovolny, wIe er damals offiziell hieß war bereits Heurigenmusiker in Wien und wohnte als Bettgeher im Hause Gaullachergasse 24. Nachdem Dobrovolny als Musikant naturgemäß nachts arbeitete, hatte er tagsüber eine Schlafstelle in der Wohnung des Müllkutschers Ludwig Wondra gefunden. Ganz in der Nähe, Ecke Deinhardsteingasse/Friedrich Kaiser Straße befand sich damals schon ein noch heute existierendes Wirtshaus, das mit einer lokalen Berühmtheit aufwarten konnte.

An späten Nachmittagen bis in den Abend hinein konnte man dort einen alten Mann beobachten, der, seinen rechten Arm abgestützt, eine Krücke neben sich an der Schank lehnte. Die Besucher der Gastwirtschaft kannten Alois Repp nur zu gut, und so mancher kam her um ihn zu sehen, oder besser zu hören. Alois Repp hatte bis zu seinem Tode die Angewohnheit Punkt siebzehn Uhr das Lokal zu betreten, seinen Platz an der Schank einzunehmen und beim Genuß von zwei oder drei Bieren monologiesierende Vorträge zu halten. Über Gott und die Welt, den Kaiser, den seinerzeitigen Ausgleich mit Ungarn 1867, die Serben, die Lage am Balkan, und natürlich über sein Lebenstrauma Königgrätz, das ja nicht zuletzt auch ein nicht unwesentliches Trauma seiner Generation und der gesamten  kuk Monarchie darstellte. Bemerkenswert ist auf alle Fälle, daß Alois Repp ein überzeugter Monarchist war. Den Verlust seines rechten Beines führte er nie auf die Kriegspolitik des Kaisers zurück. Er gab sich vielmehr als strammer, kaisertreuer Veteran der k.u.k. Arme und erwartete von seinen Mitmenschen kein geringeres Opfer, als er selbst zu bringen gezwungen worden war.

Repp sprach immer zu sich selbst. Aus teilweise unverständlichem Gemurmel erhoben sich plötzliche Tiraden, denen wieder minutenlange Passagen völliger Stille folgten. Was seinen Monologen zu entnehmen war, war vor allem Repps Mißtrauen. Er witterte Verschwörungen, Anschläge auf seine Person, deren Rechtfertigung er teilweise aus der Weltpolitik, teilweise aus persönlichem Argwohn schöpfte. Aus heutiger, psychologischer Sicht würde man ihm wohl einen gehörgen Verfolgungswahn attestieren.

Dobrovolny im Originalton:

"In diesem Wirtshaus konnte man hervorragend Essen. Nichts Besonderes. Bodenständiges eben. Aber die Wirtin kochte selbst. Ja und da war dieser Alte, der immer an der Schank stand und vor sich hin brabbelte. Manchmal redete er sich heiß und man mußte befürchten, daß er sein Bierglas, das er übrigens niemals aus der Hand ließ, quer durchs Lokal schleudern würde. Er hieß Repp und war ein Kriegsveteran. Man hatte ihm wohl ein Bein weggeschossen und irgendwie schien dieser Kerl noch stolz darauf gewesen zu sein.

Und es war tatsächlich so, daß er jeden Tag zur selben Zeit auftauchte und zur selben Zeit wieder verschwand. Tag für Tag. Es gab genug Leute die das Lokal besuchten, weil sie den verrückten Alten erleben wollten. Da hieß es dann: `Gehn wir zur alten Liesl, den Repp anhören.´ Der war wirklich eine Sehenswürdigkeit in der Gegend, und wenn irgendwo einer ohne ersichtlichen Grund vor sich hinschimpfte hieß es in der Gegend: `Ja ja, der reppt.´

Als ich einmal bei der alten Liesl saß, und der Repp sich vorne an der Schank austobte bemerkte ich, daß sein Sermon einen gewissen Rhythmus hatte, und ich habe dann auch eine Art Couplet geschrieben aber so richtig kam das nicht an dort wo wir spielten. Später dann, schon herüben in den USA habe ich versucht mich daran zu erinnern, aber meine Schwarzen Blueskumpel waren zunächst auch nicht sonderlich begeistert. Mit dem Repp aus Neulerchenfeld konnten sich nicht wirklich etwas anfangen. Aber trotzdem ist bei einigen etwas hängengeblieben, und sie begannen ebenfalls in einer Art Sprechgesang ihre Stücke zu spielen. Talking Blues nannten sie das. Aber mit dem alten Alois Repp hatte das nicht sonderlich viel zu tun."

Was Dobro natürlich nicht wissen konnte ist, daß in den Achtzigern des 20ten Jahrhunderts der Repp plötzlich wieder da war. Jugendliche aus sozial benachtleiligten Schichten und Gegenden, die sich zuvor noch in teilweise blutigen Bandenkriegen gegenüberstanden, begannen ihre Frustrationen und Ängste in einem rhythmischen Sprechgesang zu artikulieren, untelegt von stampfenden Beats. Die amerikanisierte Form des Repp, der Rap war geboren!

Gerade dieser Umstand beweist, daß es sich hier tatsächlich um die Sprache der Straße, des Volkes handelt. Wenn Alois Repp auch niemals als schaffender Künstler in Erscheinung getreten ist, er wäre niemals auf solche Gedanken gekommen, und seine Originaltexte, die eben keine Texte, sondern spontane, emotionale Äußerungen waren, in keiner Zeile überliefert sind, wozu sie auch niemals gedacht waren, so kann man doch von einer gewissen Tradition sprechen, die bis zum heutigen Tag gerade in Wien weitergeführt wird. So gibt es heute noch Straßenrepper die öffentlich agieren, ihre Emotionen im öffentlichen Raum vortragen. Der Bogen reicht hier von selbstmitleidig-balladesken Ausführung bis hin zur beinharten, teilweise in schonungsloser Fäkalsprache abgefasster Gesellschafts- und Sozialkritik. Die integrative Bedeutung dieser, vor allen in den unteren gesellschaftlichen Schichten tief verwurzelten Volkskunst tritt alleine dadurch zu Tage, daß im Wien der Gegenwart mitunter auch arabische, nahöstliche oder osteuropäische Repper anzutreffen sind

Erste Bekanntschaft mit englischen Folksongs durch Benjamin Podesser, Gärtnergehilfe in den Rothschild-Gärten auf der Hohen Warte

Mit englischsprachigem Liedgut kam Dobrovolny bereits um das Jahr 1913 herum in Kontakt. Einer der Stammgäste des bereits erwähnten Wirtshauses „Zu den Drei Nasen“ (und Saufkumpan des mit Dobrovolny musizierenden Akkordeonisten Franz Wiesfleck) war Gärtnergehilfe unter dem Garteninspektor der Rothschild-Gärten, und gemeinsam mit dessen Sohn Franz Joli begeisterter Hobby-Kicker (letzterer hatte – nebenbei bemerkt – gemeinsam mit einigen dort beschäftigten englischen Gärtnern schon 1894 den „First Vienna Football Club“ gegründet).

Jedenfalls hatten es sich Dobrovolny und Wiesfleck nicht nehmen lassen mit dem Gärtnergehilfen Benjamin Podesser das eine oder andere Match der „Vienna“ zu besuchen, und bei anschliessenden Feiern im Vereinslokal in ‚Bittners Gasthaus’ am Heiligenstädter Pfarrplatz aufzuspielen und dabei den Lebensunterhalt mit ein paar ein paar Hellern aufzubessern. Die englischen Gärtner des Baron Rothschilds dürften dem Wiener Wein dabei gerne zugesprochen haben, und ihrem Heimweh durch Absingen diverser englischer oder auch irischer Volkslieder Ausdruck verliehen haben. Um die Höhe der Trinkgelder positiv zu beeinflussen, war es für Wiesfleck und Dobrovolny selbstverständlich sie dabei mit ihren Instrumenten zu begleiten, obgleich sie ja beide der englischen Sprache und damit der Liedtexte nicht mächtig waren.

Benjamin Podesser, der steirische Gärtnergehilfe, half da aus. Er musste von Berufs wegen zwangsläufig mit den anderen (englischen) Gärtnern in deren Muttersprache kommunizieren, und Wiesfleck und Dobrovolny liessen sich die beliebtesten Musikstücke übersetzen. Dobrovolny war vor allem von einem eigentlich irischem Lied, von „The Sick Note“ (die Krankmeldung) fasziniert, in dem ein Hilfsarbeiter eine haarsträubende Serie von Unfällen als Begründung für eine Krankmeldung fabriziert. Dobrovolny verfasste eine Variation des Liedes im Wiener Dialekt unter dem Titel „Warum i heit ned in’d Hockn kumm“, das – von Wiesfleck als parodistisches Couplet vorgetragen – die englischen Hobbykicker regelmässig zu Beifallsstürmen und verstärkten Spenden alkoholischer Getränke veranlassen sollte.

Dobrovolny erinnerte sich:

„Das waren mir vielleicht Räusche! Dass wir ihre Seemanns-Shanties und Boothy-Ballads mit unseren Instrumenten begleitet haben, hat den Britten schon stark imponiert. Schwer war es ja nicht wirklich: zwei mal G, dann C und wieder G … zumal sie nach den ersten paar Vierterl Wein bei ihrem Gegröhle eh nicht gemerkt haben, wenn ich mich mal im Akkord vergriffen habe. Aber so richtig lustig wurden die, wenn ich die ersten Akkorde von da „Hokkn“ angestimmt habe, und der Karl den versoffenen Maurer  gegeben hat: wie er da durch die Gaststube über immaginäre Ziegel gestolpert ist! Spätestens wenn er seine Litanei über die Liste seiner erlittenen Verletzungen begonnen hat, sind die ersten Musi-Doppler am Tisch gestanden…“

Ein Jahr später sollten die Vereinsorgien mit dem Abstieg der Vienna aus der obersten Spielklasse spärlicher werden, und mit Beginn des zweiten Weltkriegs hatten die meisten englischen Gärtner Wien Hals über Kopf verlassen. Auch Benjamin Podesser war zurück in die Steiermark gegangen, zuerst nach Graz, wo er sich nochmals als Gärtner versuchte, und dann zu seinem Onkel, der etliche Hektar Weingarten besass und eine Buschenschank in Deutschlandsberg betrieb.

Die „Sick Note“ dürfte in jenen Tagen aber nicht die einzige Dialektvariante eines englischen Liedes durch Dobrovolny gewesen sein. Im Dezember 1998, bereits einige Zeit nach der ersten Publizierung unserer Biographie des Frantisek Dobrovolny, erreichte uns ein Schreiben vom Leiter eines Heimatmuseums und frühpensioniertes „Mädchen-für-Alles“ einer Ölmühle in Ratschendorf (Steiermark).

„Sehr geehrte Herren, liebe Musikfreunde. Mit Freude und grossem Interesse habe ich ihre Biographie das Franz Dobrovolny gelesen. Dabei ist mir auf- und eingefallen, dass unser Heimatmuseum in seinen Musikarchiven auch einen Liedtext beinhaltet, der bisher von uns nicht zugeordnet werden konnte. Gefunden wurde der Text in einem Weinkeller bei Stainz, als bereits stark angegriffenes, für die Lagerung einiger Flaschen Schilcher verwendetes Einwickelpapier. Der Wein – mit dem Datum 1917 etikettiert – war natürlich bereits ungeniessbar, aber auf dem Textfragment konnte ich die handschriftliche Widmung ‚Für Benji – Karl und Franz, 12. Februarius Anno 1914‘ entziffern. (…) Hochachtungsvoll, Peter Höllebauer.“

Natürlich konnten wir die Urheberschaft des Liedtextes nicht eindeutig als von Frantisek Dobrovolny stammend bestätigen – weder von Dobrovolny noch von Wiesfleck besitzen wir Schriftproben, die die Authentizität des uns übermittelten Papieres eindeutig beweisen können. Herkunft des Textes, mit ziemlicher Sicherheit um das Jahr 1914 zu datierend, und nicht zuletzt Stil und Inhalt des gefundenen Liedtextes lassen es nicht ausschliessen, dass es sich tatsächlich um einen Dobrovolny-Text von 1913 handelt, in dem Musikhistoriker unschwer eine Variante des englischen Volksliedes „John Barleycorn Must Die“ erkennen können. In der vorliegenden Version ist das Lied mit „Fraunz Kiabiskean muass steam!“ betitelt, und überträgt die Allegorie des ‚John Barleycorn‘ auf dem Whiskey als die allegorische Personifizierung ‚Franz Kürbiskern‘ für das in der Steiermark so beliebte Kürbiskernöl.

Wer wenn nicht Frantisek Dobrovolny sollte damals den Witz und die Feinfühligkeit besessen haben, um diese geniale Übertragung eines Liedinhaltes bewerkstelligen zu können.

Die Psyche des Getriebenen

Man sollte meinen, ein Mann jenseits der Siebziger, der den Ersten Weltkrieg überlebt hatte, sich hungernd in den Einwandererkneipen New Orleans‘ mit alteingesessenen Barrelhouse-Pianisten um ein Stück Brot prügeln musste, einer, der während der Depressionszeit auf irgendwelchen Bootsstegen im Regen frierend unter umgestürzten Ruderbooten nächtigen musste, die Beschaulichkeit und Wärme eines Kaminfeuers im zwar bescheidenen, aber eigenen Hause zu schätzen wüsste. Dass Jemand, der die Grausamkeiten verkalkter K.u.K.-Offiziere gegenüber den gemeinen Infantristen, oder die Peitschenhiebe sadistischer Aufseher in den Arbeitslagern Alabamas erdulden musste, sein weiches Bett geniessen sollte, den warmen Körper der geliebten Frau an seiner Seite spürend.

Dobrovolny hatte mehrmals seine vertraute Heimatumgebung aus Not geboren verlassen müssen, er hatte seine Kameraden am Monte Piano von den italienischen Schrappnellen zerfetzt verbluten, oder hilflos im Schützengraben von Lawinen oder Murenabgängen ersticken sehen müssen. Und schliesslich hatte er auch seinen musikalischen Ziehsohn Robert Johnson verloren. Sollte er nicht geradezu das Recht und die Pflicht haben, schlussendlich mit seiner Liebe die Sicherheit und Beschaulichkeit des Alters zu empfangen, und als Höhepunkt weiterer Anstrengungen bestenfalls seinen Kindern Wenzel und Christine eine Schaukel am Ast des alten Birnbaumes vor seinem Haus zu bauen?

Dobrovolny mag in seinen alten Tagen wohl finanziell obgleich bescheiden dennoch abgesichert dazu in der Lage gewesen sein. Auch sein Bedürfnis nach „Abwechslung“, nach neuen Erfahrungen und Erlebnissen mag gestillt worden sein. Und dennoch verspürten die ihm Nahestehenden eine tief sitzende Unrast, eine fast schon Furcht zu nennende Unruhe in Dobrovolny stecken. Eugene Labranche (Dobros nächster Nachbar) drückte das folgendermassen aus.

„Und trotz allem ist da irgendwas in Frank drinnen gesteckt, das ihn zerfressen hat. Wenn der Hund gebellt hat, weil da nächtens jemand am Zaun vorbei geschlendert ist, spähte er sofort hinter Marie’s selbstgenähten Gardinen hervor, was denn da los sei. Er konnte mitten im Musizieren gehetzt aufspringen, wenn Doc Johnsons‘ in seinem alten Lincoln vorbeifuhr und der Wagen eine Fehlzündung hatte. Wenn er wo unseren Sheriff kommen sah, wechselte er sowieso immer die Strassenseite!"

(Eugene Labranche)

Was die Furcht in Dobrovolny schürte, welche Erinnerungen oder Vergangenheit ihn plagte, weiss niemand. Vielleicht Marie Benoit, aber die sollte diesbezüglich befragt eisern schweigen. Nur einige seiner melancholischeren Lieder lassen erkennen, wie es um Dobrovolny tief in seinem Inneren bestellt war, auch wenn sich nirgends Hinweise oder Schlüsse auf irgendwelche Ursachen oder Hintergründe finden lassen. Jedenfalls sang Dobrovolny in einem seiner Lieder, einem Lied mit einem treibenden Rhythmus, betitelt „Renn Weita!“:

Oba waun i steh bleib kaun i spian
Wia si d‘Erinnerungen rian
Drum renn I weita!"

(… danach der Epilog? Am Abend des 16. Augusts 1964 erhob sich ein greiser Mann aus seinem Schaukelstuhl …)


Literatur:

Himbie S. Newton: From the South, to the Border. N.Y.: Digit Press 1971

Nigel Greenbaum: Black Snake Moaning - Live and Legends of the Early Country Blues Singers. East Orange, N.J.: McTavern. 1982.

Larry "Crawfish" Webster: Howlin´ at Midnight. Tupelo: Blue Print. 1949.

Susanne K. Getty: Blue Note Taverns. The Barrelhouse Culture. Columbia: University of South Carolina. 1976.

Bob Priestley/Armand Toussaint: My Life in the Swamps. New Orleans: Cahiers du temps. 1981.

Paul Oliver: Die Story des Blues. Stimme der Leidenschaft und Lebensfreude. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag. 1978

Peter Bommas, Franz Dobler (Hg.): Down in Louisiana. Augsburg: bommas verlag 1995

 

Audio

"Frank Dobro - The White Godfather of Delta Blues" - Radio Essay Series "Local Legends" by Lizzy Tootsnake, Lafayette Broadcast Comp. 1964. Deutsche Übersetzung von Bea Thaens, freie Journalistin, Berlin 1972

Credits

Die Recherchen zur Arbeit Frantisek Dobrovolnys konnten unmöglich von Mitgliedern der Original Stiefelbein Bluhs Bänd alleine geführt werden. Um Material über/von Dobrovolny/Doborro/Dobro/D. Browoonie zu erhalten, waren wir auf die freiwillige und oft mühsame Mitarbeit von Freunden und Kollegen in Wien, Prag, Genua, New Orleans, San Antonio, Houston, New York, in Bibliotheken, Archiven, privaten Sammlungen u.Ä. mehr angewiesen. Stellvertretend für alle hier ein Auszug aus einem Briefwechsel mit dem Musikforscher Pedro „Inferno“ deRanchero, Styranian Institution for Early Southern Music and Culture, San Antonio (Texas):

„.... kann ich Ihnen hiermit mitteilen, daß es uns aufgrund Ihres wertvollen Hinweises tatsächlich gelungen ist, Dobrovolny´s verschollen geglaubtes Manuskript mit der "Ballade vom Schoafrichta" ausfindig zu machen. Durch die zu erwartenden Ausgaben für Tantiemen an die juristisch Erbberechtigten des Nachlasses Dobrovolnys - Wenzel Benoit und Christine Larson, geb. Benoit - ist es uns leider nicht möglich, irgendwelchen finanziellen Ansprüchen Ihrerseits zu genügen. Ich freue mich aber, Ihnen mitteilen zu können, daß der Verein "Die `Baa-Schädl´n´ - Fans und Freunde der Original Stiefelbein Bluhs Bänd" Sie für Ihre Verdienste um die Musikforschung zum Ehrenpräsident auf Lebenszeit gewählt haben .....                                                            

Special Thanks to:

THELMA, LOUISE & SHARON, Groucho, Harpo, Chico & Karl, John Cleese, Michael Palin, Eric Idle, Graham Chapman, Terry Gilliam & Terry Jones, Erwin S., Gerti S.-M., Rita H., Jana B., Ernst F., Elli M., Alex Z., Franz Powalla, Hamburg, Ry Cooder, J.J. Cale, Franz-Josef Degenhardt, Werner Lämmerhirt, Klaus Heuser, B.B. King, the Cream, Nina Hagen, Alice, Me-Myself-I, Stephen Stills, Rory Gallagher, Alvin Lee, Kurt Ostbahn, Roger McGuinn, Marina Sirtis, Susan Sarandon, Audrey Hepburn, Raquel Ward, Elisabeth Bergner, Lina Oberdimpfler, Helmut Qualtinger, Karl Merz, Peter Wehle, Karl Farkas, Egon Friedell, Alfred Polgar, H.C. Artmann, Franzi Bilik, Harry Langdon, Laurel & Hardy, Buster Keaton, Woody Allen, Gerard Dépardieu, Patrick Dewaere, Don Quichote, Tewje der Milchmann, H.-J. Kulenkampff, Jiri Holecek, Johan Cruyff, Günther Netzer, Jackie Stewart, Dietmar Constantini, Pele, Gertrud K., Elisabeth T., Fritz und Hans H., Franz F., Willi D., Herbert W., Mathilde W., Ernst W., Wolfgang P., EvaMaria O., Herbert K., Walter H., ELP, Guy Klucevzek, Folkladen, Tannahill Weavers, Clannad, De Dannan, Eddie & Finbar Furey, Fidel Castro, Frank Zappa, Chieftains, Buffy Saint Marie, Woody Guthrie, Lightning Hopkins, Memphis Slim, Karl Valentin, Sean Connery, Akiro Kurosawa, Bob Kane, Dirk Browne, Hotblack Desiato, Don Juan, Mussorgsky, Dietmar Schönherr, Friedrich Glauser, Picasso, Alex Campbell, Robert Burns, Pablo Neruda, Flann O'Brian, Eric Burdon, Reinhard Liebe, Tex Avery, Bidet, Moebius, Peter H., Leopold Stastny, Kerningham/Richie, Hiroshige, Alfred Hrdlicka, Franquin, Art Spiegelmann, Fam. Hohner, Scottie Pippen, Bert Brecht, Jack Lemmon, Walter Mathau, Stanislawski, Boris und Arkadi Strugatzki, Majakowski, V.I. Uljanow, dem Erfinder der solarbetriebenen Taschenlampe, Sigi Maron, Chris "4er" Peterka, John Belushi, Leslie Nielsen, Dennis Hopper, Kurt Tucholsky, Al Cook, Bruce Springsteen, Jim Steinman, Stefan Weber, Jack Grunsky, John Lennon, The Great Spirit, Chief Dan George, Rolling Thunder.

(to be clompeted)

 

No Thanks to:

Sylvester Stallone, Bill Gates, Karl P., Robert Stolz, Heinz Conrads, Karl Moik, Vera Russwurm, Rainhard Fendrich, Falco, Walter Schiejok, Michael Jackson, Harald T., Rosamunde Pilcher, Ronald Reagan, Konsalik, Fam. Habsburg, Jörgele, Fa. McDonald, Johannes Paul II, Dichand & Falk, Margret Thatcher, Heino, Arnold "the Oak" Schwarzenegger, Christine Vranitzky, .Christine "Mausi" Lugner, Thomas Brezina, Dagi, ORF, Bank Austria.

(easily to be completed)

 

 



Exkurs I: Bauart und weitere Entwicklung der Dobrovolny’schen Resonator-Gitarre

Über die ursprünglichste Bauweise des ersten Prototypen einer Resonator-Gitarre von Dobrovolny ist leider nur sehr wenig bekannt. Nach den Erinnerungen, die Berta Katharina Wiesfleck, die 1998 im Altersheim Lainz verstorbene Tochter Karl Wiesflecks‘, aus den Erzählungen ihres Vaters herleitete, dürfte Dobrovolny beim ersten Prototypen noch versucht haben den Resonator über die Gitarrenseiten zu montieren. Tatsächlich sollte sich diese Bauart klarerweise als äußerst hinderlich beim Anschlagen der Seiten erwiesen haben, und ein Zupfen, wie es das Spiel von Basslinien im klassischen Wienerlied erfordert, war sicher gänzlich unmöglich. In einer nachfolgenden Variante veränderte Dobrovolny sein Konzept daher auf zwei kleinere, seitlich oberhalb des Schalloch und außen montierte Schalltrichter. Auf diese Weise konnte er die Einschränkung der Beweglichkeit seiner Spielhand umgehen. Allerdings dürfte der so nach vorne verlegte Schwerpunkt seiner Gitarre Dobrovolny beim Spielen erhebliche Kraftanforderungen gekostet haben, zumal es jetzt die Griffhand war, deren Finger jetzt sowohl einen sauberen Akkord zu greifen hatten, als auch ein „Kippen“ des Instruments verhindern mußten.

„Doch, mein Papa hat mir davon erzählt. … Von seinem Gitarristen und dessen spinnerten Erfindungen. Wie das halbe Wirtshaus vor Lachen gebrüllt hat, weil er ein Lavour über das Loch an der Gitarre vorn geschraubt hat, und sich immer wieder die Hand dran angeschlagen hat. Mein Papa hats ihm dann wutentbrannt runter gerissen. Sie müssen wissen, mein Papa war sehr streng, und ist leicht zornig geworden. Ich hab immer „Herr Vater“ zu ihm sagen müssen. (…) Aber der … Franz? … Ich glaub, mein Papa hat vom Franz gesprochen … Der Franz hat eine neue Gitarre gebaut, und da waren dann nur mehr 2 kleine Trichter oben. Mein Papa hat gesagt, das waren Trichter-Siebe von zwei Giesskannen. Die hat er dann  nicht mehr runter gerissen, weils wenigstens lauter war. Und die Leut‘ habens lustig gefunden. Hat mein Papa gesagt…"

Berta Katharina Wiesfleck,
 in einem Gespräch mit Georg Siegl (Hsg.), Lainz 1997

Immerhin gewöhnte sich Dobrovolny damals einen sehr kräftigen Griff-Stil an, den seine Mit-Musiker der späteren Jahre auch immer wieder loben sollten:

„Frank spielte die saubersten Akkorde von allen! Er hielt die Stege richtig wie in einem Schraubstock, wenn er einen Barrègriff spielte, gab es kein Abrutschen der Seiten oder Scheppern an den Bünden. Seine Finger waren natürlich nicht so flink wie die von Robert (Johnson, Anm. d. Hsg.) oder anderer Gitarristen, aber ich konnte mir keinen sauberer spielenden Partner vorstellen!"

Larry „Crawfish“ Webster

Die zweite Version der Dobrovolny’schen Resonatorgitarre ähnelte eher der noch heute vereinzelt als „Zirkus-Gag“ aufzufindenden „Trichter-Geige“, einer Violine mit einem innen liegenden Resonator, der den Schall aufnimmt und über einen außen montierten, an ein Grammophon erinnernden Trichter abgibt.

In der späteren Variante seiner Gitarre drehte dann Dobrovolny die Schalltrichter um, und verlegte sie unter die Gitarren-Oberseite. Der Metalltrichter fungierte also nicht mehr als „Megaphon“, sondern verstärkte und bündelte den Klang, der dann durch die zusätzliche Schallöcher aus dem Inneren der Gitarre zurückgeworfen wurde. Die „Giesskannen-Siebe“ wurden aus optischen Gründen beibehalten, jetzt direkt über die Schallöcher montiert, wohl auch um ein Verdrecken der Resonatorbleche zu verhindern.

 

Exkurs II: Musikanten und Spielleute als singende Lokalredaktionen in den k. und k. Kronländern

Die Alternative zur (in der k.u.k.-Welt zumeist stark eingeschränkten) freien Presse bestand aus den Darbietungen der fahrenden Spielleute und Bänkelsänger. Dabei konnten sowohl Ereignisse überregionaler oder gar nationaler Bedeutung in musikalischer Form vermittelt werden, als auch die heute aus dem Lokalteil der Boulevardpresse bekannten Fälle von Naturereignissen, Unglück, Unfällen sowie Mord, Raub und Totschlag. Erstere Kategorie hatte dabei oft durchaus einen gewissen widerständigen Charakter in Form einer meist spöttischen unzensierten Darstellung von national bedeutenden Ereignissen. Man denke nur an das Gstanzl vom Schneider den es auf der Simmeringer Had‘ „verwaht“ hat, hinter dem ein mißglücktes Attentat auf Kaiser Franz Josef I. im Jahre 1853 steht. Der Schneidergeselle János Libènyi hatte mit seinen Messerstichen den Kaiser verfehlt, was das Lied mit „es gschieht ihm schon recht, warum sticht er so schlecht“ kommentiert wird. Die musikalische Lokalberichterstattung wiederum hatte möglichst grausam und blutrünstig zu berichten. So berichtet Egon Erwin Kisch in seinem Buch „Marktplatz der Sensationen“ von den Balladen des blinden Methodius, in denen die neuesten lokalen Kriminalfälle, unter anderem der versuchte Mord an Kisch’s Onkel in den Hinterhöfen Prags zum Vortrage gebracht wurden.